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Auf dieser Seite lesen Sie die Meinung der Aktiven Demokraten zu aktuellen Nachrichten - klare Einschätzungen zu den Meldungen, die unseren Alltag bestimmen.

Stuttgart 21 ist ein falscher Ansatz der Verkehrsplanung

Die Entrüstung über das rüde Vorgehen der Polizei im Umfeld des Bauprojekts Stuttgart 21 im Oktober 2010 und das Kommunikationsdesaster hat den Blick auf die Sachlage verstellt. Es wird zu wenig diskutiert, dass die Politik es versäumt hat, hier eine gemeinschaftliche Planung von Bahn und Straßenverkehr vorzunehmen. Es wird weder hinterfragt, ob eine derart aufwendige Tiefbaumaßnahme im Sinne einer Anbindung von Stuttgart an den   europäischen Schienenverkehr überhaupt richtig und erforderlich ist, noch, ob es bei einer positiven Antwort zu dieser Maßnahme nicht mit vergleichbar geringem Aufwand möglich gewesen wäre, den Straßenverkehr parallel zur Schiene gebündelt unter dem völlig fehlgeplanten Stuttgart mit seinen "7 Hügeln" hindurch zu führen und damit tatsächlich spürbare Entlastung zu schaffen.

Im Zuge der Diskussion um Stuttgart 21 ist vor allem die Frage zu stellen, ob es generell die richtige Entscheidung für die Zukunft ist, Bahnreisende aus dem Umland in ein verkehrstechnisch neuralgisches Ballungsgebiet mit Stadtzentrum zu zwängen, damit sie von dort aus die Reise zurück ins Umland mit scheinbaren 4 Minuten Zeitvorteil antreten, obwohl sie vorher zur Erreichung des Startbahnhofs 40 Minuten und mehr verschwendet haben.

Dia Bahn zwingt Stuttgart eine Fernverkehrsplanung auf, die bei Betrachtung der europäischen Bahn-Netzkarten unnötig ist: die Achse Paris - München - Wien spielt weder die Rolle, die ihr zugedacht ist, noch wird der Verkehr in Zukunft auf die Anbindung von Stuttgart im Zentrum angewiesen sein. Die Befürwortung von S21 durch die Politik fußt also vor allem auf der berechtigten Angst, dass das topographisch isolierte Stuttgart vom europäischen ICE-Verkehr abgehängt werden könnte. Ob da die gewonnen 4 Minuten das entscheidende Kriterium sein werden?

An dieser Stelle wird es interessant: die Politik des von der Automobilwirtschaft lebenden Landes Baden-Württemberg hat es aus der gleichen Feigheit vor dem Wähler versäumt, die nun bezüglich der Kommunikation von S21 offensichtlich wird, der schwierigen Geographie Stuttgarts mit einem wirksamen Schnellstraßenring Entlastung zu bringen, obwohl dies leicht möglich gewesen wäre. Experten haben schon vor 10 Jahren in der Planungsphase von S21 versucht, die sachlichen Argumente gegen ein Mammutprojekt S21 in eine vernünftige Planung zu gießen. Doch davon wollten die Entscheidungsträger genau wie heute schlichtweg nichts wissen, weil es verschiedenen Interessen und den nicht vernetzten Budgets von Bahn und öffentlicher Hand zuwider lief. Mehdorns Gigantomanie-Projekt hätte in eine Planung münden können, die Stuttgart wirklich nützt. Deshalb ist es nicht ganz richtig, wenn man heute von einer demokratisch gefällten Entscheidung spricht, die die Bürger nun rechtswidrig anfechten wollen: es wurde über etwas entschieden, von dem man der Bevölkerung aus unterschiedlichen Beweggründen und verkehrsplanerischer Kurzsichtigkeit die tatsächlichen Zusammenhänge verschwieg - es entstand, wie so oft, eine interessengebundene Projektion, deren Mängel oder gar fehlender Sinn der betroffenen Bevölkerung erst wenn die Bagger anrücken, deutlich werden.

S21 wird der Stadt Stuttgart, ähnlich wie der gigantische Flughafenbahnhof in Frankfurt und der neue Berliner Bahnhof und andere Projekte, keine Entlastung und keine zusätzliche Attraktivität bringen. Dazu hätte die Bahn lediglich die ICE-Strecke elegant an den Stuttgarter Flugplatz anbinden und das Commuting aus der Stadt und der Region zu diesem ICE-Knoten verbessern müssen. Denn allein in diesem Modell liegt die Zukunft der Bahn: leicht erreichbare und dezentrale Knotenpunkte an den Schnellverkehrsmagistralen statt der überholten Notwendigkeit aus der Gründerzeit der Bahn, erst ins verstopfte Zentrum gelangen zu müssen, um an den Fernverkehr angebunden zu sein. Dies Modell praktizieren die großen Flughäfen (aus Umweltgründen notgedrungen) mit großem Erfolg. Wo große Flugplätze sind, sind auch Autobahn und Schiene und so, wie man von dort auch mit der Bahn ins Zentrum und zurück gelangen kann (und tatsächliche Umsteigeanreize entstehen) hätte das auch bezüglich Stuttgart jeder Reisende problemlos akzeptiert.
Der Bahn fehlt immer noch das übergeordnet verkehrsplanerische Interesse und Denken - nur so ist erklärlich, warum es immer noch keine Doppelstock-ICE in Deutschland gibt, die 2/3 mehr Passagiere bei nur 1/5 mehr Energieverbrauch brächten, und man seitens der Bahn keinerlei Angebote bezüglich des schnellen Warenverteilverkehrs des Internet-Zeitalters hat. Deshalb wird sich die im Internet bestellte Ware aus Paris (und das aufgegebene Gepäck der ICE-Reisenden!) auch nach Eröffnung von S 21 mit Kleintransportern ins verstopfte Stuttgart quälen, statt in einem eigenen Paketwagen im ICE im Stundentakt schneller und umweltgerechter als mit Flugzeug und Auto ans Ziel zu gelangen...
S 21 ist also zuerst ein grundsätzlicher Planungsfehler aus mangelndem vernetzten Denken, dann ein politisches Versagen und nun auch noch ein Kommunikationsdesaster mit gravierenden Auswirkungen auf das demokratische System. Es sorgt dafür, dass nun auch Planungsvorhaben der Bahn, so wie vorher schon die des Luft- und Straßenverkehrs, durch jahrzehntelange Planungs- und Protestphasen laufen müssen. Der Entwicklung von Deutschland in Europa und der Welt wird damit ein Bärendienst erwiesen.

Joh. Hübner, autoconsult
autoconsult(at)web.de


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